Kreuzspitze auch ohne Sicht spitze

Ganz hinten im Graswangtal, schon kurz vor dem Ammersattel, an der Bayerisch-Tiroler Grenze, findet sich der Weg auf die Kreuzspitze. Es sind ca. 1.200 Höhenmeter Aufstieg vom zu überquerenden breiten Schotterflussbett am Start bis zum Gipfel auf 2.185 m.ü. M. – eine wirklich schöne, weil abwechslungsreiche Bergtour, anfangs noch durch Serpentinen im Wald.

Dann wähnt man sich auf einmal nicht mehr in den Ammergauer Alpen, sondern fast in den Dolomiten, denn es geht weiter durch einen großen Schotterkessel – genannt Hochgrieskar – rechts an imposanten Wänden vorbei, auf deren Schulter dann durch Latschenkiefern hinaufziehend zum Gipfel. Zum Schluß steht sogar noch eine leichte Kraxelei an. Besonders gut an der Tour ist, es gibt keine Einkehrmöglichkeit und damit ist sie nicht so überlaufen wie vergleichbare, etwa jene auf den Säuling mit dem Säulinghaus.

kreuzspitze-eibseeblick

Am Gipfel sind dann meine Frau und ich genau in dreieinhalb Stunden wie im Führer angegeben. Allerdings ist es mit dem ausgelobten Vis-à-Vis-Blick auf die Zugspitze so eine Sache. Es gilt der alte Kalauer: „Wie Sie sehen, sehen Sie nichts“. Gerade so ist der Eibsee erkennbar, sonst hat sich Deutschlands höchster Gipfel in Wolken gehüllt. Es ist also ein Kreuz mit der Sicht von der Kreuzspitze, ansonsten ist und bleibt die Tour spitze, gerade an einem etwas bedeckten, nicht so heißen Sommerbergtag wie heute.

Retroronde in Flandern

paterberg

Das mir ein bis zu 20% steiler, gepflegt gepflasterter Weg – genannt Paterberg – eine Wohltat sein könnte, hätte ich nicht gedacht. Aber das ist er im Vergleich zu dem von meinem Freund Georg und mir zuvor bewältigten Oude Kwaremont, eine mit 11 % zwar ‚flache‘, aber quälend lange, ganz übel zu fahrende, weil wohl vor langer Zeit verlegte Kopfsteinpflasterpassage. Und wir gehen im Anschluß gleich noch eine dritte Prüfung an, den Koppenberg. Es verlangt nicht nur Kraft, sondern auch Radbeherrschung, um mit den mittlerweile ungewohnten Hacken+Riemen-Pedalen am ansonsten tadellos funktionierendem Stahl-Rennrad, Masi Prestige Jahrgang 1982, auf den glatten Steinen hochzukommen.

Wir sind in Belgien, genauer in den Ardennen in Ostflandern und trainieren für die zwei Tage später stattfindende Retroronde – eine Radtouristik-Veranstaltung auf und mit alten Rädern rund um die Stadt Oudenaarde, geführt auf Streckenteilen der berühmten Flandernrundfahrt, einer der Klassikermonumente des Radsports.

Als wir dann in bester Sonntagsstimmung und bei ebensolchem Wetter die Retroronde angehen, sind wir begeistert von Authenzität, Organisation und Streckenverlauf der 100 km langen Schleife. Einziger Scharfrichter ist der nun uns schon bekannte Oude Kwaremont, der in ‚Rennmodus‘ gefahren dann nicht mehr ganz so schwer ist. Unsere Trainingsrunde war jedenfalls härter, denn die Organisatoren lassen Paterberg und Co. aus, begnügen sich nur mit normalen Hellingen, kurzen Anstiegen mit Asphalt- oder Betonbelag. Vereinzelt eingebaute, Paris-Roubaix-ähnliche flache Kopfsteinpflasterpassagen, im Flämischen Kasseien genannt, können uns nicht wirklich schrecken. Immerhin sind es insgesamt dann doch 1.100 gefahrene Aufstiegshöhenmeter, als wir wieder im flachen Oudenaarde im Ziel eintreffen.

Seine ausführliche Sicht mit noch Bildern von diesen unseren belgischen Radsporttagen hat mein Freund und Redakteur Georg auf aktiv Radfahren veröffentlicht. Und im nächten April werden wir sicher im Fernsehen die Übertragung der Ronde van Vlaanderen genauer verfolgen: Wenn die Radprofis die uns nun bekannten Hellinge hinaufdonnern, dann werden wir im Vergleich dazu wie Grundschüler aussehen – allerdings schon etwas ergraute.